Leben mit Martin (2)

Zu den mutigsten, weil schicksalsträchtigsten Entscheidungen im Leben einer Durchschnittsfrau gehören eine neue Liebe beziehungsweise die Trennung von einer alten Liebe, ein neuer Job und eine neue Wohnung. Gleich zwei dieser Entscheidungen hatte Claudine gerade getroffen, die dritte würde ihr womöglich auch nicht erspart bleiben. Alles zusammen war am Abend vor der Wohnungsbesichtigung Grund genug gewesen, unangemeldet ihre Eltern zu besuchen.

„Nun überstürz es doch nicht!“ hatte ihre Mutter gesagt.
Ihr Vater sagte nichts, sondern machte nur ein finsteres Gesicht.
„Ich habe es mir vier Monate lang angesehen. Da kann man wohl nicht von überstürzen sprechen“, sagte Claudine wie einstudiert, denn genau mit dieser Reaktion hatte sie gerechnet. Immerhin hatte sie ihren Eltern gerade verkündet, dass sie sich von Florian trennen würde. Über drei Jahre hatte sie mit ihm zusammengelebt, und ihre Eltern, besonders ihre Mutter, waren der Meinung, dass sie mit Florian das große Los gezogen hatte. Er war – bis zu jenem Augenblick – ihr Traumschwiegersohn. Gutaussehend, sympathisch und – vor allem! – reich. Das einzige Haar in der Suppe: Von Heirat wurde nicht gesprochen.

Claudine selbst hätte Florian nicht als reich bezeichnet, eher als wohlhabend. Na gut, sehr wohlhabend. Sie wohnten in einer schönen alten Villa in Nikolassee, die er geerbt und teilweise neu eingerichtet hatte. Er fuhr einen Wagen, in dem man lautlos und wie von selbst dahinglitt, wenn er nicht gerade den Lieferwagen der Firma benutzte, der nicht ganz so lautlos und automatisch war. Die Firma war der Pritzkow-Verlag, bei dem Claudine als Lektorin angestellt war. Dort war Carsten Frohberg Claudines Chef, aber auch Carsten war nur angestellt, denn Florian war derjenige, dem der Laden gehörte. Und Claudine, die grundsätzlich nie etwas mit einem Kollegen angefangen hätte, weil, wenn es schiefging, die Schockwellen auch den Arbeitsplatz erreichten, schien sich in diesem Fall solche Gedanken nicht zu machen. Als sie dann doch darüber nachdachte, hatte die Erkenntnis nichts Schockierendes mehr. Ihr war kein Nachteil entstanden, nur Vorteile. Erhebliche Vorteile, wenn man es genau nahm.

„Hast du dir mal überlegt, was du aufgibst?“ fragte ihre Mutter.
„Ja, das habe ich“, antwortete Claudine wahrheitsgemäß.
Es war ihr, sehr zu ihrer Beschämung, gestern fast als Erstes durch den Kopf geschossen. Das schöne Haus in dieser schönen Gegend, all die Annehmlichkeiten, die sie praktisch nichts kosteten. Sie hatte sogar darum kämpfen müssen, sich am gemeinsamen Haushalt mit ihrem Gehalt zu beteiligen. Schließlich konnte sie es einrichten, die Lebensmittel zu kaufen. Für Lebensmittel aber wurde nie viel ausgegeben. Oft aßen sie auswärts, selten hatten sie Gäste im Haus, sondern luden auch sie ins Restaurant ein, und mit der größten Selbstverständlichkeit beglich Florian dann die Rechnung. Finanziell würde sie wohl nie wieder so frei sein. Drei Jahre lang war ihr Gehalt praktisch ihr Taschengeld gewesen, für Kleidung, Friseur und Verabredungen mit Freundinnen. Nie hatte Florian darüber Rechenschaft verlangt. Am Ende jedes Monats konnte sie einen hübschen Betrag auf ihr Sparkonto überweisen. Und das versetzte sie jetzt in die Lage, sich eine Wohnung zu nehmen und einzurichten, ohne sich etwas versagen oder jemanden um Hilfe bitten zu müssen.

„Ich weiß auch nicht, ob es richtig ist, dass du so kampflos das Feld räumst“, mischte sich nun auch noch Claudines Vater ein.
„Ich räume kein Feld. Ich gehe einfach“, erklärte sie.
„Und wo ist da der Unterschied?“ wollte er wissen.
„Es gibt kein Feld“, sagte sie. „Wir haben keine Schlacht geführt. Ich habe nichts erobert und mir auf nichts ein Anrecht erworben.“
„Das scheint aber sogar Florian anders zu sehen, denn sonst hätte er dich ja auffordern können, wieder auszuziehen. Statt dessen bist du es, die das Handtuch wirft“, ereiferte sich ihre Mutter.
Handtuch werfen! Schon wieder so eine Metapher aus dem Kriegs- und Kampfsportvokabular. Wohl um zu zeigen, dass sie natürlich trotzdem auf der Seite ihrer Tochter war, fügte Frau Lassalle hinzu: „Du hättest eben doch auf eine Heirat drängen sollen. Dann hättest du jetzt einige Ansprüche.“

Claudine hatte keine Lust, mit ihr zu streiten. Sollte sie ihr noch einmal erklären, dass es gar nicht nötig gewesen wäre, Florian zu drängen? Bis vor einem halben Jahr hätte er vermutlich zugestimmt, wenn ihr eine Hochzeit plötzlich wichtig gewesen wäre. Einmal hatte er das Thema sogar von sich aus angeschnitten, und sie waren übereingekommen, die Frage erst wieder zu erörtern, wenn ihnen – wider Erwarten – die Idee käme, ein Kind zu wollen. Nach diesem Gespräch war sie durch das große Haus gegangen und hatte sich – rein theoretisch – die Frage gestellt, welches der Zimmer sich in dem nicht anzunehmenden Fall am besten als Kinderzimmer eignen würde. Das Gästezimmer, zweckmäßig wie ein Hotelzimmer  aber persönlicher eingerichtet, mit direktem Zugang zu einem kleinen Bad? Das sogenannte Damenzimmer mit dem zauberhaften antiken Sekretär, der Récamiere, dem Intarsien-Tischchen und den beiden zierlichen Sesseln? Das Bügel- und Nähzimmer, in dem sich Frau Ludwig, die Florian als „unsere Haushälterin“ bezeichnete, während Claudine immer von „seiner Haushälterin“ sprach, um ihre Wäsche und Garderobe kümmerte? Das Zimmer, das zu einem riesigen begehbaren Kleiderschrank bestimmt war, in dem nur Florians umfangreiche Wintersportgarderobe, die Skiausrüstung, Koffer und die Kleidung, die gerade nicht Saison hatte, aufbewahrt wurden, denn im Schlafzimmer gab es einen sehr großen Einbauschrank? Florians Arbeitszimmer, die Bibliothek, der sogenannte Rauchsalon – alles undenkbar. Aber auch die anderen Räume, so überflüssig sie erschienen, weil zum Beispiel im Gästezimmer sehr selten jemand übernachtete, sie Briefe auch im Wintergarten schreiben konnte, und die Bügel- und Flickwäsche in die Kammer neben der geräumigen Küche gepasst hätte, strahlten ein Selbstbewusstsein aus, das nicht das Geringste mit ihrer Zweckmäßigkeit zu tun hatte. Aus mir wird kein Kinderzimmer, gaben sie zu verstehen, und vielleicht lag es an ihrem nicht besonders ausgeprägten Kinderwunsch, dass sie nicht einmal versuchte, mit Zimmern zu diskutieren.

Ihre Mutter schien selbst zu merken, dass sie mit dem geworfenen Handtuch zu weit gegangen war.
„Du brauchst erst mal Abstand. Natürlich kannst du als Übergangslösung in dein altes Zimmer ziehen. Wir haben ja nichts darin verändert.“
Damit wuselte sie auch schon in eben dieses Zimmer, und Claudine musste ihr folgen, um ihr widersprechen zu können.
Sie war nicht sicher, was das Schlimmere war, dass ihre Eltern in ihrem Zimmer nichts verändert hatten, so dass die Filmplakate von vor fünfzehn bis zwanzig Jahren noch an den Wänden klebten, ihre Jugendbücher noch im Regal standen und davor aufgereiht die Überraschungs-Ei-Figuren, und ihr Teddy noch auf dem Bett saß, oder dass ihre Mutter es inzwischen doch als eine Art Wirtschaftsraum nutzte, in dem das Bügelbrett und der Wäschekorb ihren Platz hatten und auf einem Flügel-Wäscheständer die Unterwäsche ihres Vaters hing.
„Das räume ich natürlich alles raus. Das ging ja früher schließlich auch“, sagte die Mutter hastig, wohl um ihr eigenes Unbehagen zu verdrängen. Früher hatten die Eltern auch noch nicht diese voluminöse Sitzgarnitur im Wohnzimmer. Wo sollte denn der Wäscheständer jetzt Platz haben, wenn er im Winter oder bei Regen nicht auf dem Balkon stehen konnte, und in der Küche Bouletten oder Kartoffelpuffer gebraten wurden? – Und das Bügelbrett war fast jedes Mal umgekippt, wenn man die Badezimmertür schloss, hinter der es an der Wand lehnte. Plötzlich wurde Claudine die Kleinbürgerlichkeit bewusst, in der sie aufgewachsen war und in die sie nun zurückkehren würde. Doch dann riss sie sich zusammen und verscheuchte die deprimierende Vision.
Unsinn! Nachdem sie aus ihrem Elternhaus ausgezogen und bevor sie bei Florian eingezogen war, hatte sie jahrelang in ihrer eigenen hübschen Wohnung gelebt, ohne Wäscheständer im Wohnzimmer und umfallendes Bügelbrett, und genauso würde es wieder werden, und zwar sofort, denn die Übergangslösung lehnte sie ab.
„Heutzutage findet man leicht eine Wohnung“, sagte sie.
„Wenn man will, von heute auf morgen. Ich habe es vier Monate lang ausgehalten, also halte ich es auch noch ein paar Nächte länger aus.“
Das genügte ihrer Mutter, um neue Hoffnung zu schöpfen, und nicht nur darauf, dass ihr das Wäschetrocknen im Wohnzimmer erspart bleiben würde.
„Vielleicht ergibt es sich ja auch, dass ihr noch mal in Ruhe über alles redet.“

Es war ihr Vater, der die Frage stellte, vor der sie sich am meisten gefürchtet hatte: „Was wird eigentlich mit deinem Job?“
„Was soll damit werden?“ fragte Claudine zurück und tat, als verstehe sie nicht, wie er darauf kam.
„Du glaubst ernstlich, du behältst ihn? Immerhin ist Florian dein Chef.“
„Ist er nicht“, sagte sie.
„Mach dir nichts vor“, entgegnete ihr Vater ärgerlich.
„Wenn Florian es will, bist du deine Arbeit los, ehe du dich versiehst. Darüber bist du dir doch im Klaren.“
Grundsätzlich hatte er recht. Wenn Florian es wollte, wäre sie die längste Zeit im Pritzkow-Verlag beschäftigt gewesen.
Aber warum sollte er das wollen? Zwar war sie es, die ihn verließ, aber Grund zur Rache gab ihm das nicht. Schließlich hatte er ihr den sozusagen klassischen Grund für eine Trennung geliefert. Wahrscheinlich war er sogar froh, dass sie auszog.

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Leben mit Martin (1)

Claudine suchte die Hausnummer, die auf dem Zettel stand, den sie von einem Laternenpfahl abgerissen hatte, und fand sie über einer schweren Doppeltür, zu der zwei Granitstufen hinaufführten. Das gefiel ihr, ebenso wie der in die Wand eingelassene schmiedeeiserne Stiefelkratzer. Was ihr nicht gefiel, war der vor der Haustür herumlungernde übergewichtige Mittvierziger im schlabbrigen Jogginganzug, der mit seinem Schlüsselbund klimperte. Der schien dort zu wohnen.

Sie postierte sich in fünf Metern Entfernung, und während sie auf den Vermieter wartete, musste sie sich eingestehen, dass sie sich für nichts von dem interessiert hatte, was man bei der Wohnungssuche unbedingt beachten sollte: Verkehrslärm, Einkaufsmöglichkeiten, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Abwesenheit von Bäumen, gegen deren Pollen man allergisch ist, und nicht zuletzt die zukünftigen Nachbarn.

Immerhin, vom U-Bahnhof war sie höchstens fünf Minuten gelaufen, und als sie jetzt in beide Richtungen die Straße entlang spähte, entdeckte sie an der nächsten Ecke eine Telefonzelle, an der entgegengesetzten das Frakturschrift-A einer Apotheke. Kurz davor gab es einen Gemüsehändler mit Straßenauslage, nur zwei Häuser entfernt einen Bäcker, schräg gegenüber eine italienische Wein- und Spezialitätenhandlung und daneben einen Zeitungsladen. Am Straßenrand standen in gleichmäßigen Abständen Kastanien und Linden – keine Pappel weit und breit. Glück gehabt.

Fußgänger waren unterwegs, aber nur wenige Autos fuhren vorbei. Keines verlangsamte die Fahrt, als würde der Fahrer einen Parkplatz suchen. Es wäre auch keiner frei gewesen. Klein- und Mittelklassewagen aller Marken, ein paar Lieferwagen, deren Beschriftung sie las, um sich die Zeit zu vertreiben, reihten sich lückenlos am Rinnstein. Dazwischen ein verirrter silberner Porsche. Claudine schaute auf ihre Armbanduhr. In diesem Moment sagte der Mann, dem sie den Rücken zukehrte, so dass nur das Klimpern seines Schlüsselbundes sie daran erinnerte, dass er noch immer in der Haustür stand: „Hören Sie mal, sind Sie zufällig Frau Lassalle?“

Sie war es nicht zufällig. Ihre Eltern hatten ihr vielmehr versichert, dass sie ein Wunschkind war. Wenn es nach ihrem Vater gegangen wäre, hätte sie Claudia heißen sollen, doch ihre Mutter hatte die französische Namensform durchgesetzt, um jedem die korrekte Aussprache des hugenottischen Familiennamens zumindest nahezulegen – nicht wie eine Aufforderung, alle zu lassen. Und hätte der Kerl ihren Namen nicht gekannt und noch dazu richtig ausgesprochen, hätte sie mit ihm keinen Hausflur und schon gar keine Wohnung betreten.

Während er vor ihr in den dritten Stock hinauf stapfte, musste er sich – dicht vor Claudines Augen – in der Mitte jeder halben Treppe die ausgeleierte Jogginghose wieder hochziehen. Sie bereute bitter, dass sie weder Barbara noch Vicky gebeten hatte, sie zu dem Termin zu begleiten. Selbst die Anwesenheit ihrer Eltern wäre ihr unter diesen Umständen recht gewesen, obwohl die nur versucht hätten, ihr das Ganze auszureden.

Als sie oben ankamen, er die Tür aufsperrte, und sie sah, dass die Wohnung schon auf den ersten Blick einen bewohnten Eindruck machte, schrillten in ihrem Kopf sämtliche Alarmglocken.
„Was machen wir hier?“ fragte sie scharf und blieb wie angenagelt auf der Fußmatte stehen.
Der Vermieter drehte sich zu ihr um. „Diese Wohnung besichtigen?“ schlug er vor, mit einer Pause zwischen den Worten, als würde er mit jemandem reden, der nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügte.
„Möbliert?“ fragte Claudine misstrauisch und rührte sich noch immer nicht. Auf dem Zettel stand nichts von möbliert. Und das war auch keine möblierte Wohnung. Da hing ein Mantel an der Flurgarderobe. Neben dem Schuhschrank stand ein Paar Herrenschuhe, und durch die halb geöffnete Küchentür konnte sie drei Kaffeepötte sehen, die sich, umgedreht auf einem Geschirrtuch, selbst abgetrocknet hatten.
„Nein, noch nicht entrümpelt“, knurrte er. „Als ich die Zettel geklebt habe, dachte ich noch, ein Anruf, und hier rückt die Müllabfuhr an. Wer rechnet denn mit sechs Wochen Wartezeit für Sperrmüll? Ich habe daraufhin die Zettel alle wieder eingesammelt. Ich dachte jedenfalls, es wären alle, aber Sie haben ja noch einen gefunden.“
Schicksal. Ein einziger Zettel, und ausgerechnet sie musste ihn finden, statt sich, wie jeder vernünftige Mensch, eine Zeitung zu besorgen und den Immobilienteil zu studieren.
Soweit war sie allerdings noch gar nicht gekommen, als sie fast gegen den Laternenpfahl rannte, blind von Tränen.
„Möchten Sie jemanden anrufen, der …“ Er unterbrach sich, vollführte mit dem linken Arm einen Boxhieb in der Luft und brachte damit eine schwere goldene Armbanduhr unter dem schlabbrigen Ärmel zum Vorschein. „… innerhalb, sagen wir mal, einer Viertelstunde hier sein könnte, um Ihnen beizustehen?“
Claudine warf einen schnellen Blick auf das Namensschild über der Türklingel. Roth las sie, jedenfalls nicht Klausen, wie der Vermieter hieß.
„Nein, das ist schon in Ordnung“, sagte sie und trat zwei zögernde Schritte in die Wohnung. Die Tür ließ sie weit offen und war froh, dass Klausen keine Anstalten machte, sie zu schließen, sondern weiter bis zum Ende des Korridors ging und dort eine Tür öffnete, hinter der sich, an den Möbeln erkennbar, das Wohnzimmer befand.

In der Wohnung war es kälter als draußen, klamm, ungemütlich. Auf den Möbeln lag Staub. Der Vermieter zeigte ihr einen Raum nach dem anderen, öffnete dabei alle Fenster und achtete kritisch auf das Funktionieren der Riegel. Von der Straße kam ein Hauch herbstlicher Wärme herein, Geräusche, welche die Zimmer aufwachen ließen.
„Wenn die Wohnung Ihnen zusagt, können Sie zum 1. Dezember einziehen“, sagte Klausen.
Die Wohnung sagte ihr zu. Sie hätte sie auch möbliert genommen. Aber sie brauchte sie jetzt.
„Auf dem Zettel steht, dass die Wohnung ab sofort frei ist“, sagte sie.
„Deswegen habe ich ja die Zettel wieder eingesammelt und in einer Zeitung inseriert. Zu vermieten ab 1. Dezember.“
Die Geduld in seiner Stimme war geradezu beleidigend.
„Und wenn ich mich selbst um die Entrümpelung kümmere?“ schlug Claudine vor.
„Ja, wenn Sie sich das aufhalsen wollen, von mir aus sofort. Das müssen Sie mir dann aber unterschreiben, dass Sie die Einrichtung übernehmen. Nicht dass Sie irgendwann ausziehen und mir das Zeug hier stehen lassen, weil ich Ihnen die Wohnung angeblich möbliert vermietet habe.“
Claudine war einverstanden, und während sie die Treppen wieder hinuntergingen, verabredeten sie sich für den nächsten Morgen. Dann würde sie den Mietvertrag unterschreiben, drei Monatsmieten Kaution bar bezahlen und die Schlüssel bekommen. Klausen warf sich in seinen silbernen Porsche und brauste davon. Und Claudine stand vor dem Haus und betrachtete noch einmal die Straße, in der sie von morgen an wohnen würde.

martin_go

Kleines Vorwort

Den Roman „Leben mit Martin“ habe ich — mit Unterbrechungen — im Lauf von drei Jahren geschrieben. Es ist kein Krimi, weil, von kleineren Gesetzesübertretungen abgesehen, als da wären das unkorrekte Verhalten eines Vermieters, die Unterschlagung eines Staubsaugers, ein Verstoß gegen das Postgeheimnis, ein unbefugtes Betreten von Geschäftsräumen und mehreren Verstöße gegen das eingeschränkte Halteverbot, kein Verbrechen begangen wird. Die Abgründe des ganz normalen Wahnsinns, an deren bröckelnden Rändern wir alle wandern, und die Fallstricke des täglichen Lebens, über die wir stolpern oder — mit etwas Glück — elegant hinwegsteigen, haben mir genügt, um meine Protagonisten mit kriminalistischem Scharfsinn (und manchmal trotz des Fehlens desselben) nach Martin suchen zu lassen. Ob wir es hier, wenn schon mit keinem Thriller, so doch wenigstens mit einem Liebesroman zu tun haben, möge der geneigte Leser von Kapitel zu Kapitel selbst herausfinden. Das erste Kapitel erscheint am 12. Oktober.

Alle im Roman vorkommenden natürlichen und juristischen Personen sowie die Ereignisse sind frei erfunden. Sollte ein Leser eine Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder tatsächlich existierenden Institutionen festzustellen glauben, so versichere ich, dass dies keinesfalls von mir beabsichtigt war. Ausgenommen hiervon sind Erwähnungen bekannter Schauplätze in Berlin, wie z.B. des KaDeWe und des Quartier 206, oder von Ereignissen, wie des Jahrestages des Mauerfalls und eines so plötzlichen wie verfrühten Wintereinbruchs im November 2007. Ausgenommen sind ebenfalls einige Literaten und Poeten, deren Werke ich mir namentlich zu erwähnen erlaubt habe.

Danken möchte ich (in alphabetischer Reihenfolge) Julia Bernhard, RA J. Melchior, Gabriele Meltendorf, Regina Otto und Barbara Voigt dafür, dass sie meine Fragen beantwortet haben, wenn es mir ratsam erschien, weder blind auf meine solide Halbbildung zu vertrauen, noch uneingeschränkt meiner Phantasie die Zügel schießen zu lassen, und allen Freunden, die in den intensiven Schreibphasen viel Geduld mit mir hatten. Vor allem aber danke ich meinen Töchtern für die Ermutigung und viele anregende Diskussionen, sowie Phillipp, der mich auch bei diesem Projekt wieder mit wertvollen Hinweisen und unbestechlicher Kritik begleitet hat.

Das Titelbild des Blogs, das auch als Cover-Bild für die Taschenbuchausgabe vorgesehen ist, hat meine Tochter Jacky im Quartier 206 gemacht.

Nun bleibt mir nur noch, zu hoffen, dass möglichst viele Leser Gefallen an der Geschichte finden.

Christa Hartwig